Standpunkt: TTIP, TISA und CETA – vier Buchstaben die Kritik hervorrufen

Warum FREIE WÄHLER die derzeit verhandelten Freihandelsabkommen ablehnen

Im Dialog: TTIP - Ein kontroverses Freihandelsabkommen – als Münchner Vorstandsmitglied der Europa Union setzt sich auch Prof. Piazolo intensiv für den Dialog mit den Bürgern zu TTIP ein [Foto: europa-union deutschland]

Im Dialog: TTIP – Ein kontroverses Freihandelsabkommen – als Münchner Vorstandsmitglied der Europa Union setzt sich auch Prof. Piazolo intensiv für den Dialog mit den Bürgern zu TTIP ein
[Foto: europa-union deutschland]

Grundsätzlich sind zwischenstaatliche Abkommen, die Beschränkungen und Barrieren beim grenzüberschreitenden Handel abbauen und überwinden etwas Sinnvolles. Der gesamte Binnenmarkt der Europäischen Union ist aus dieser Idee entstanden und hat in den letzten 60 Jahren trotz aller Wirtschaftskrisen einen positiven Einfluss auf alle daran teil nehmenden Volkswirtschaften ausgeübt. Dieser europäische Binnenmarkt soll nun jedoch mittels der Freihandelsabkommen CETA (EU ­– Kanada) und TTIP/TISA (EU – USA) auf den nord-amerikanischen Wirtschaftsraum ausgedehnt werden – mit weit reichenden, leider teils negativen Folgen für unser Gesellschaft und jeden einzelnen. 

Intransparenz und Geheimverhandlungen

Eine Hauptkritik richtet sich gegen die mangelnde Transparenz und die faktisch nicht vorhandene Beteiligung der Bürger bzw. der von ihnen gewählten Repräsentanten in den jeweiligen Parlamenten an der inhaltlichen Gestaltung. Denn trotz zunehmendem öffentlichem Druck aus allen Bereichen der Gesellschaft und der Formierung einer selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative

– das „’Stop TTIP’-Bündnis ist mittlerweile auf über 300 Organisationen aus 24 Mitgliedstaaten angewachsen“ und steht „kurz davor, die erste Million Unterschriften gegen TTIP und CETA zu erreichen. Und das in nicht einmal zwei Monaten“ –,

wird nach wie vor weitgehend hinter verschlossenen Türen verhandelt. Selbst Abgeordnete des europäischen Parlaments erhalten nur sehr eingeschränkt Zugriff auf die Verhandlungsunterlagen – wenn überhaupt. Ein so weit reichendes Abkommen derart frei von Transparenz und direkter Beteiligung der demokratisch legitimierten Kräfte zu verhandeln, passt nicht in eine Zeit, in der die Bürgerinnen und Bürger zu Recht mehr Mitbestimmung bei Großprojekten verlangen und auch bekommen.

Eingriff in kommunale Selbstverwaltung

Hinzu kommt – auch für uns FREIE WÄHLER sehr entscheidend – dass viele Aspekte dieser Abkommen direkt und indirekt Auswirkungen auf die in Deutschland verbriefte Kommunale Selbstverwaltung haben, ja geeignet sind, diese teilweise völlig auszuhebeln. Besonders zu kritisieren sind hierbei Bestrebungen, Privatisierungen Tür und Tor zu öffnen: So wird es besonders international agierenden Konzernen deutlich leichter gemacht werden, sich in Geschäftsbereiche der Daseinsvorsorge wie Wasserversorgung, Gesundheitssystem oder auch bei Bildungsaufgaben und den Kulturbetrieben einzuklagen, die bislang der Entscheidungshoheit der Kommunen oblagen.

Investitionsschutz und Dienstleistungsfreiheit zum Schutz privater Gewinninteressen

Die Dominanz privat-wirtschaftlicher Gewinninteressen ist bei allen drei Abkommen deutlich zu spüren. Das Interesse privater Unternehmungen Gewinne zu erzielen, ist an sich nicht verwerflich. Jedoch findet es in Deutschland mit seinem Ordnungsprinzip der sozialen Marktwirtschaft dort seine Grenzen, wo der Nutzen der Allgemeinheit oder der Schutz des (wirtschaftlich) Schwächeren in den Vordergrund treten. So gelten in Deutschland teils weit reichende Regulierungsvorgaben für die Energiewirtschaft oder auch die Telekommunikationsbranche. Der TTIP-Entwurf enthält dagegen Regelungen, die durchaus erheblichen (negativen) Einfluss auf kommunale Rechte wie die Planungs-, Satzungs-, Finanz- und Organisationshoheit haben oder auch Bestimmungen zum Niederlassungsrecht, Beschränkungen des Marktzuganges etwa durch Zulassungsregelungen oder auch Vorgaben für bestimmte vorgeschriebene Rechtsformen angreifbar machen.

Einfluss auf Medienpolitik und Kulturbetrieb

Selbst die öffentlich-rechtliche Rundfunkversorgung und die Regulierung dieses Sektors kann empfindlich getroffen werden. Es mag einiges zu Recht auch an unserer Form des öffentlich rechtlichen Rundfunks kritisiert werden. Fakt ist jedoch, dass Deutschland aus guten historischen Gründen, die Versorgung der Bevölkerung mit Informationen sowohl nicht dem freien Spiel der Markkräfte völlig überlassen will als auch den Einfluss des Staates wie auch dominanter Lobbygruppen darauf streng reguliert. Nicht ohne Grund warnen deshalb zum Beispiel die Gremien von ARD, ZDF und auch des österreichischen ORF in einem offenen Brief vom Juni diesen Jahres davor, dass „TTIP und TISA die medienpolitische Handlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten untergraben“. In der Folge könnte etwa die staatliche Vergabe von Sende-Frequenzen oder auch die Gestaltung des Kulturbetriebes verstärkt unter den Einfluss unregulierter Kräfte geraten oder die staatliche Regulierung gänzlich ausgehebelt werden. Jedoch sind, wie in dem Schreiben zurecht dargelegt wird, „die Grundlagen für Kultur und Medien … ebenso wenig reine Handelsware wie Kultur und Medien selbst“.

Untergrabung der rechtsstaatlichen Entscheidungsprozesse und Gerichtsbarkeit

Ein besonders kritischer Aspekt der geplanten Freihandelsabkommen ist die Verankerung sogenannter „Schiedsgerichte“ als eine Art Schattenjustiz für Rechtstreitigkeiten zwischen Unternehmen und Staaten. Inakzeptabel ist daran nicht nur, dass diese Schiedsgerichte grundsätzlich nicht-öffentlich tagen und nicht vor ordentlichen Gerichten verhandelt und entschieden wird. Völlig untragbar ist daran vor allem, dass damit Normen, die von parlamentarischen Mehrheiten oder gar durch Bürger- und Volksentscheide mehrheitlich beschlossen wurden, nachträglich durch externe Gremien umgangen, aufgehoben und sogar mit empfindlichen Strafzahlungen belegt werden können, wenn etwa örtliche oder national geltende Vorschriften und Gesetze geeignet erscheinen, das freie Wirtschaften von Unternehmen einzuschränken.

Was kommt?

Würden diese Handelsabkommen, wie derzeit verhandelt, tatsächlich umfassend abgeschlossen werden, kann sich künftig keine Kommune und kein nationales Parlament mehr sicher sein, dass seine mit demokratischen Mehrheiten zustande gekommenen und auf dem Boden des geltenden Rechts getroffenen Entscheidungen vor den Augen internationaler Konzerne und ihrer Anwaltsfirmen Bestand haben. Deshalb werden die FREIEN WÄHLER sich auch weiterhin intensiv auf allen politischen Ebenen, parlamentarisch wie außer-parlamentarisch, etwa in der genannten Europäischen Bürgerinitiative „Stop- TTIP“, dafür einsetzen, dass derartige Einschränkungen nicht Bestandteil dieser völkerrechtlichen Verträge werden und dass unsere Demokratie nicht völlig zu einer „Lobbykratie“ verkommt.

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